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Frau Peggy Elfmann
Newsbeitrag

Pflege aus der Ferne

24.04.2024

Wie kann man sich um einen Angehörigen mit Demenz kümmern, wenn man nicht Tür an Tür lebt, sondern mehrere Hundert Kilometer voneinander entfernt? Geht das überhaupt? Ja, das geht, aber es bringt besondere Herausforderungen mit sich.

Pflege wird häufig mit Tätigkeiten vor Ort, also mit körpernaher Pflege assoziiert. Wohnen Angehörige weit weg, übernehmen sie oft andere Arten von Aufgaben, etwa die Organisation und Koordination von Terminen, halten Rücksprachen, holen Informationen ein, recherchieren. Demjenigen, der sich aus der Ferne kümmert, ist oftmals selbst nicht bewusst, wie viel Zeit, Energie und Aufwand er investiert. Vieles wird so „so nebenbei“ zwischen Beruf und Familie erledigt. Permanenter Zeitmangel, Druck und Stress schleichen sich immer mehr ein. Und auch Schuldgefühle machen sich breit, dass man nicht mehr da sein, nicht mehr Aufgaben übernehmen kann und immer mehr das Gefühl hat, nicht richtig zu pflegen.
Pflege aus der Ferne bringt jede Menge Herausforderungen mit sich. Zwölf Jahre begleitete Peggy Elfmann ihre an Demenz erkrankte Mutter. Von ihren Erfahrungen sprach die Journalistin und Mutter von drei Kindern beim 2. Desideria Impulsworkshop. Eines hat Peggy Elfmann in dieser Zeit gelernt: „Es ist enorm hilfreich, sich vor Ort ein Pflegenetzwerk aufzubauen.“ Also Menschen dazu zu holen, denen man vertraut und die den Angehörigen betreuen, begleiten oder pflegen. Dazu können Familienmitglieder, Freunde, Nachbarn, Ärzte, ein ambulanter Pflegedienst, die Apotheke oder Therapeuten gehören. 
Häufig plagt pflegende Angehörige die Sorge, etwas zu übersehen oder aus der Ferne nicht gut einzuschätzen, wie die Situation vor Ort ist und ob die Person gut versorgt ist. Dann sind da noch der hohe Zeit- und Organisationsaufwand und die finanzielle Belastung, die mit dem Reisen verbunden sind. „Gut ist es, wenn man auch in der Familie über diese Verteilung der Aufgaben offen sprechen kann. Dass die Leistungen, die aus der Ferne erbracht werden, tatsächlich thematisiert werden und auch als Unterstützung anerkannt und wertgeschätzt werden“, betonte Peggy Elfmann. Man sollte sich auch darüber klar werden, was man leisten kann und will und wo die eigenen Grenzen liegen. „Dann kann man sowohl in der Familie als auch im Pflegenetzwerk schauen, wie Aufgaben umverteilt werden könnten.“ 


Es lohne sich auch, über die Gefühlslagen zu sprechen. Dass man sich unzureichend oder schuldig fühle oder gerne mehr machen würde, es aber einfach nicht kann. „Dieses Angewiesensein auf andere ist häufig eine sehr groß empfundene Belastung für diejenigen, die aus der Ferne pflegen“, so Peggy Elfmann. Als Impulsgeberin motivierte die Autorin die Teilnehmenden auch, das Thema Selbstfürsorge nicht zu unterschätzen. „Man sollte sich darüber klar werden, dass es Tankstellen braucht, an denen man die eigenen Akkus wieder auflädt.“ 


Die Teilnehmenden fanden sich sehr schnell in die Thematik ein und kamen in den Kleingruppen in einen regen Austausch. „Sie haben Peggys Aspekte für sich reflektiert und aufgenommen, waren sehr offen und aufgeschlossen. Dabei sind sie zum Teil auch in sehr persönliche Gespräche eingestiegen und kamen mit einem ganzen Blumenstrauß sowohl an Themen als auch an Lösungen aus den Breakout Sessions zurück“, berichtet Desideria Vorstand Anja Kälin. „Ja, es ist eine schwere Aufgabe, deren man sich oft nicht bewusst ist. Man fühlt sich allein. Aber es gibt eben auch Wege und Lösungen. Insofern konnte jeder Teilnehmer ein paar Dinge auch aus dem Workshop mitnehmen. Und wenn es nur die Erkenntnisse sind, dass man bei manchen Dingen einfach sehr viel Geduld braucht. Oder sich selbst mehr wertschätzt für das, was man alles macht“, betont Anja Kälin. 


Für diese Impulse und Gedanken gab es am Ende des Workshops viel Lob von den Teilnehmenden, die es schätzten, wie schnell und in welcher Tiefe die Themen besprochen werden konnten, ohne sich groß erklären zu müssen, da nun mal alle mit ihren Erfahrungen eben auch alles Experten auf diesem Feld sind. „Es war ein bereichernder Abend und es war schön zu sehen, wie offen die Menschen in den Austausch gegangen sind und wieviel sie genau daraus ziehen“, so Familientherapeutin Anja Kälin.